Die Energiewende nimmt Fahrt auf, doch ein kritischer Engpass bleibt: Wie können wir erneuerbare Energie zuverlässig und kostengünstig speichern, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht? Diese Herausforderung – in Deutschland als Dunkelflaute bekannt – bezieht sich auf längere Perioden mit geringer Wind- und Solarenergieerzeugung, die zwischen zwei Tagen und über einer Woche dauern können. Dieses Problem ist nicht nur technischer Natur: Es treibt auch die Volatilität auf den Energiemärkten an. Im Jahr 2024 gab es in Deutschland über 2.300 Stunden mit Strompreisen von über 100 Euro/MWh – und mehr als 400 Stunden mit negativen Preisen. Ohne die Möglichkeit, saubere Energie über Stunden und Tage hinweg zu speichern, bleibt das Energiesystem sowohl für Engpässe als auch für Überschüsse anfällig.
Die russische Invasion der Ukraine im Jahr 2022 hat die Dringlichkeit noch verschärft. Europas Bedürfnis nach Energiesicherheit und Unabhängigkeit war noch nie so klar wie heute. Doch die meisten der gängigen Speicheroptionen, wie zum Beispiel Lithium-Ionen-Batterien, sind nicht dafür ausgelegt, mehrtägige Lücken zu überbrücken. Aufgrund ihrer hohen Kosten, Materialbeschränkungen und technischen Spezifikationen sind sie für eine Langzeitlagerung ungeeignet. Gleichzeitig gibt es ein wachsendes Feld an Alternativen – Technologien, die Kosten, Sicherheit und Nachhaltigkeit durch neue Chemikalien und Fortschritte in der Fertigung drastisch verbessern könnten. Dazu gehören Eisen-Luft-Batterien, wasserstoffbasierte Systeme oder Flow-Batterien der nächsten Generation, die alle eine Rolle bei der Lösung der Dunkelflaute-Herausforderung spielen könnten.
Um den Fortschritt in diesem Bereich zu beschleunigen, hat die Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND) 2022 die Long-Duration Energy Storage Challenge ins Leben gerufen. Der Wettbewerb zielt darauf ab, radikal neue Energiespeichertechnologien zu unterstützen, die in der Lage sind, Strom für mindestens zehn Stunden zu liefern – ohne auf knappe oder kritische Rohstoffe angewiesen zu sein. Von Dezember 2023 bis Juni 2025 arbeiteten die vier Finalistenteams in Phase 2 der Challenge an ihren Start-ups. Alle erhielten eine Finanzierung von bis zu drei Millionen Euro sowie maßgeschneidertes Coaching, um die jeweilige Technologie unter realen Bedingungen zu testen, zu verfeinern und zu skalieren. Obwohl ihre technischen Ansätze unterschiedlich sind, ist das Ziel dasselbe: die langfristige Energiespeicherung praktikabel und skalierbar zu machen.
Am 17. Juni 2025 traf sich die Jury aus unabhängigen Expert:innen ein letztes Mal in Leipzig, um die Leistungen der Finalist:innen zu bewerten. Anstatt nur einen Gewinner auszuwählen, ehrten sie alle vier Teams für ihre herausragenden Beiträge.
Alle vier Teams gehen als Sieger aus der Challenge hervor. Gemeinsam bewiesen sie, dass es möglich ist, sichere, skalierbare und kostengünstige Systeme mit reichlich vorhandenen Materialien zu bauen – Lösungen, die saubere Energie nicht nur für Stunden, sondern für Tage speichern können. Ihre Arbeit legt den Grundstein für eine widerstandsfähigere, dekarbonisierte Energiezukunft und zeigt, was möglich ist, wenn mutige Ideen die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, um zu wachsen.
Das erste Team, Reverion, ist eine Ausgründung der Technischen Universität München, die sich auf wasserstoffbasierte Energiespeicherung konzentriert. Ihre Innovation liegt in einem hocheffizienten Festoxid-Brennstoffzellensystem, das Strom in ein und derselben Einheit sowohl speichern als auch erzeugen kann – mit Wechselzeiten von weniger als einer Minute. Diese nahtlose Integration vermeidet kostspielige Ausfallzeiten und verbessert die Zuverlässigkeit. Während der Challenge skalierte das Team sein System auf die zehnfache Leistung, eine 300-kW-Plattform, und validierte die Leistung unter einer Reihe von Szenarien, einschließlich simulierter Netzabschaltungen. Außerdem sammelten sie 62 Millionen US-Dollar in einer Serie-A-Finanzierung ein.
Im Gegensatz zum Wasserstoffansatz von Reverion setzt Ore Energy, ein Spin-off der TU Delft, auf Eisen – ein kostengünstiges, reichlich vorhandenes Material. Ihre Lösung kombiniert Eisen, Wasser und Luft, um eine Batterie zu schaffen, die sowohl erschwinglich als auch eigensicher ist. Die Technologie vermeidet die Brandgefahr, benötigt keine seltenen Materialien und eignet sich für den Masseneinsatz. In Phase 2 der Challenge schloss Ore Energy die Entwicklung seines containerisierten Speichers ab und markierte damit einen wichtigen Schritt von der Laborentwicklung bis zur Feldanwendung.
Während Ore Energy auf Einfachheit durch kostengünstige Materialien abzielt, erfindet HalioGen Power die Architektur von Flow-Batterien neu. Herkömmliche Flow-Batterien sind auf teure Membranen angewiesen, um reaktive Flüssigkeiten abzuscheiden, eine Fehlerquelle, die auch die Kosten in die Höhe treibt. Das Design von HalioGen eliminiert die Membran vollständig. In der zweiten Phase der Challenge entwickelte sich HalioGen von der frühen Phase der Laborvalidierung zu einem funktionierenden Prototyp, der erfolgreich alle wichtigen Systemkomponenten in ein vollautomatisches Batteriesystem integrierte, die Kernfunktionalität demonstrierte und sie der Kommerzialisierung einen Schritt näher brachte.
Schließlich verfolgt Unbound Potential, ein Spin-out der ETH Zürich, eine ähnlich kühne Vision: eine neuartige Flow-Batterie, die hoch skalierbar ist. Ihre membranlose Batterie verwendet zwei wasserbasierte Elektrolyte, die sich nicht vermischen, sondern Energie austauschen. In Phase 2 integrierte Unbound Potential sein Modul in ein vollständig instrumentiertes Testsystem. Obwohl sich das Unternehmen noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet, arbeitet es bereits mit einem großen Industriepartner, Amazon, zusammen, was ein starkes Marktinteresse signalisiert.
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