EIN NEUES NARRATIV FÜR EXZELLENTE WISSENSCHAFT

Und diesmal bitte mit Transfer!

Viele Forderungen werden aktuell an die sich formierende Bundesregierung hinsichtlich der künftigen Finanzierung von Forschung und Wissenschaft gestellt. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen betont, wie wichtig die stabile Finanzierung von Forschung und Lehre ist. 3,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts gibt Deutschland derzeit für Forschung und Entwicklung (FuE) aus, satte 121 Milliarden Euro (2022). Davon entfallen 70 Prozent auf Unternehmen und 30 Prozent auf die öffentliche Hand (ca. 36 Milliarden Euro). Die CDU/CSU hat als Gewinnerin der Wahl die technologische Souveränität und Wirtschaftswachstum in das Zentrum ihrer politischen Agenda gestellt. Dazu muss auch die Wissenschaft ihren Beitrag leisten und das bedeutet künftig, Transfer und Translation von Wissenschaft in die Anwendung sehr viel ernster zu nehmen als bisher. Die Veröffentlichung des Draghi-Reports und die geopolitische Situation haben der Debatte um Wettbewerbsfähigkeit und Innovationen eine zusätzliche, brisante Dynamik verliehen. Das ist Chance und Herausforderung gleichermaßen. Was dazu geschehen muss? Einiges!

Rafael Laguna

Die geläufige Definition von wissenschaftlicher Exzellenz bezieht sich vor allem auf die herausragende Qualität und Bedeutung von Forschung und wissenschaftlicher Arbeit. Darin enthalten sind die Dimensionen Originalität, methodische Strenge, Relevanz und Impact für die Fachcommunity, Publikationen in Fachzeitschriften, etc. Dies hat über die letzten Jahrzehnte dazu geführt, dass wir ein vor allem auf Publikationen und den individuellen H-Index hin optimiertes System ‘gebaut’ haben. In dieser Wertungsmatrix genießen gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Wirkung (Impact) auf Basis von Forschung eine allenfalls nachgeordnete Bedeutung. Fragt man junge Wissenschaftler:innen, welche Bemessungsgrößen für ihre Karriere maßgeblich sind, dann heißt es ganz klar: Publikationen und Drittmittel (die wiederum auch von Publikationen abhängen). Und Transfer? Allenfalls nice to have oder schlimmstenfalls sogar ein Karrierekiller. Ein Anreizsystem für Transfer gibt es lediglich in Form von individueller persönlicher Motivation einzelner Wissenschaftler:innen, wie beispielsweise die Initiative UNIPRENEURS in 2024 gezeigt hat. Viele engagieren sich freiwillig und zusätzlich zu ihren Verpflichtungen in Forschung und Lehre in Kommunikation, Politikberatung, Ausgründungen und vielen anderen Arenen. Das Transferbarometer, entwickelt von Stifterverband und Helmholtz Gemeinschaft, hat diese Transferkategorien zusammengetragen und mit einer entsprechenden Indikatorik unterlegt.

Dieses Engagement für Transfer findet aber bisher nur wenig bis gar keine Anerkennung in den formalen Evalutionskriterien für exzellente Wissenschaft, obgleich sehr viele der ‚Forschungsschwergewichte‘ formal der CoARA Initiative zur Reevaluation der Bewertungspraktiken für Forschung in puncto Wirkung und Impact beigetreten sind. Aber spielt es in der Realität wirklich eine Rolle? Wenn man mit Selbstverpflichtungen und Co. also nicht weiterkommt, quoi faire? Einem höheren Fokus auf und Stellenwert von Transfer kann unter anderem dadurch Rechnung getragen werden, dass künftig verpflichtend ein angemessener Anteil einer jeden föderalen Fördermaßnahme, einschließlich der großen Pakte und Initiativen (zum Beispiel Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzinitiative etc.), verpflichtend für Transfer vorgesehen wird. Also, weg vom zahnlosen Papiertiger eines Verwertungsplans oder eines wenig aussagekräftigen Wirkungsstatements (die in der Praxis fast nie nachgehalten werden) hin zu einem echten Dreiklang aus Forschung - Erkenntnisgewinn - Impact. Das bedeutet nicht das Ende der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung, sondern lediglich eines neues Narrativs für Wissenschaft, die nicht sich selbst, sondern der Gesellschaft dient.

Neben einer klaren Aufwertung des Transfers und der Translation in der Bewertung von exzellenter Wissenschaft muss auch an den Mechanismen der Innovationsförderung deutlich geschraubt werden. Denn es fehlt nicht grundsätzlich an Geld, sondern am effektiven Einsatz der staatlichen Fördermittel. So überfrachten wir Fördermaßnahmen mit bürokratischen Prozessen, die für die Zielerreichung weitestgehend irrelevant sind. Der Prozess scheint hierbei wichtiger als das erzielte Ergebnis. Time to money lautet hier der Schlachtruf! Wie lange dauert es in einzelnen Förderprogrammen, bis das Geld bei den Empfängern auf der Bank ist? Zwischen fünf bis zwölf Monaten ist hier keine Seltenheit. Für Gründungsprojekte, Start-ups und andere kleine Organisationen ist das fatal. Die Tatsache, dass es auch anders geht, beweisen Innovationsfördermechanismen wie Fast Grants oder auch die SPRIND Challenges. (Time to money: 14 Tage von Einreichung bis Vertragsunterzeichnung). Der Heitor Report von 2024 hat bereits existierende innovative Experimente in der Finanzierung von Forschung und Innovation zusammengetragen. Hier ist der politische Mut und Wille gefragt, diese nun in die Breite zu tragen.

Von Albert Einstein stammt das Zitat: Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Wenn wir den Kulturwandel in Forschung und Wissenschaft hinsichtlich einer tiefen Verankerung von Transfer und Translation nicht hinbekommen und die Mechanismen der Finanzierung nicht hinsichtlich Aufwand und Schnelligkeit drastisch beschleunigen, laufen Deutschland und Europa Gefahr, zwischen den geopolitischen Polen zerrieben zu werden. Das bedeutet Umdenken und Reformen statt Reförmchen, Kursänderung statt eines Rearrangierens der Sonnenliegen auf der Titanic. (Und wir wissen schließlich alle, wie DIE Geschichte endet!)

– Ein Beitrag von RAFAEL LAGUNA DE LA VERA

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