Jede:r kann sich bei SPRIND Challenges bewerben – doch nur herausragende Ideen werden finanziert und nur wer mit seinen Fortschritten überzeugt, wird in der nächsten Stufe der Challenge weiter unterstützt. Im Interview erklärt Challenge-Officer Jano Costard, wie SPRIND gezielt Herausforderungen auswählt, ungewöhnliche Denkansätze fördert und mit einem mehrstufigen Modell gezielt Innovationen mit Sprunginnovationspotential auf den Weg bringt.
JANO, DIE WELT STEHT DERZEIT VOR SO VIELEN HERAUSFORDERUNGEN – WIE WÄHLT MAN DA EIN CHALLENGE-THEMA AUS?
Jano Costard: Es gibt wirklich viele dringende Probleme, aber in einigen Bereichen, wie zum Beispiel KI, gibt es in Deutschland bereits viel öffentliche und private Unterstützung. Wir schauen also: Wo fehlt es an Finanzierung, welche Themen sind wichtig, werden aber vernachlässigt? Unsere Challenge Broad-Spectrum Antivirals hat zum Beispiel ein riesiges gesellschaftliches Potential, gleichzeitig ist dort eine enorme technologische Lücke, die von anderen Akteuren wahrscheinlich nicht geschlossen wird. Dieses Marktversagen müssen wir ausgleichen.
PRINZIPIELL KANN JEDER AN EINER SPRIND CHALLENGE TEILNEHMEN. WARUM IST ES WICHTIG, MIT DEN CHALLENGES AUCH FACHFREMDE ANZUSPRECHEN?
JC: Wenn man Fachfremde auffordert, sich zu bewerben, bekommt man auch Einreichungen, die es normalerweise nicht in eine staatlich finanzierte Projektförderung schaffen. Aber wir wissen, dass die Menschen mit den besten Ideen, mit dem größten Potential, oft eben nicht aus dem Kreis der etablierten Expertinnen und Experten kommen. Diesen Menschen wollen wir vermitteln, dass es Sinn macht, sich auf ein neues Gebiet zu begeben. Denn das kann dazu führen, dass sie noch einmal ganz neu über sich und ihre bisherigen Technologien nachdenken. Deshalb ist unser Stufenmodell so sinnvoll: Wir geben vielen scheinbar noch utopischen Ansätzen eine Chance und sortieren im weiteren Verlauf der Challenge aus, um uns auf die vielversprechendsten Innovationen zu konzentrieren, sobald die Potentiale von Technologien und Teams klarer absehbar sind.
UNSINNIGE FANTASIEN UND BRILLANTE GEISTESBLITZE KÖNNEN SICH AUF DEN ERSTEN BLICK DURCHAUS ÄHNLICH SEHEN. WIE BEURTEILT IHR, WAS WAS IST?
JC: Wir haben erfahrene Expert:innen mit unterschiedlichen Perspektiven in der Jury, die sich speziell mit dem Thema der jeweiligen Challenge auskennen. Und wir arbeiten schon im Entstehungsprozess einer Challenge und natürlich auch währenddessen viel mit externen Akteuren zusammen, um deren Feedback zu bekommen. Die Herausforderung ist allerdings nicht so sehr, sich Expertise zu holen, sondern zu entscheiden, welches Feedback Gewicht hat. Letztlich sind die SPRIND Challenges getrieben von der Einsicht, dass wir nicht sicher sein können, welche Innovation tatsächlich zur Sprunginnovation wird, wenn wir es nicht ausprobieren. Deshalb lassen wir bei jeder Challenge mehrere Teams und Technologien im Wettbewerb gegeneinander antreten.
WER ES SCHAFFT, IN DIE CHALLENGE AUFGENOMMEN ZU WERDEN, KANN SICH ÜBER EINE GUTE FINANZIERUNG FREUEN.
JC: Ja, denn die Kombination aus einem sehr frühen Entwicklungsstadium und einer nicht validierten Technologie macht es oft notwendig, dass wir die Teams zu 100 Prozent finanzieren. Bei unseren Challenges gibt es kein großes Preisgeld am Ende, sondern wir finanzieren rundenbasiert. Und die Teams bekommen auch nicht alle gleich viel Geld, sondern bewerben sich um eine bestimmte Finanzierungshöhe. Das ist für uns auch ein Bewertungskriterium und wir sehen es natürlich gerne, wenn es den Teams gelingt, zusätzliches Geld – egal ob öffentlich oder privat – einzuwerben. Denn das ist nicht nur ein Signal, dass die Teams schneller Fortschritte erzielen können, sondern es spricht auch für ihre Fähigkeit, sich später unabhängig von uns weiter zu finanzieren.
ABGESEHEN VOM GELD: WIE UNTERSTÜTZT DIE SPRIND DIE TEAMS?
JC: Unsere Begleitung und Unterstützung sind immer sehr spezifisch auf das Thema der Challenge und die jeweiligen Teams zugeschnitten. Wir haben Teilnehmende, die bereits eine komplette akademische Karriere aufgebaut haben, aber zum ersten Mal ein Unternehmen gründen. Es ist ganz normal, dass diese Erstgründer plötzlich viele neue Sachen lernen und auch ihre Arbeit ganz anders strukturieren müssen. Wir schenken ihnen das Vertrauen und die Ermutigung, dass man das machen und schaffen kann. Wir können klare Empfehlungen geben, wenn es zum Beispiel um die Frage geht, wie man zu möglichst guten Konditionen aus der Universität ausgründet, und wir können die Teams aktiv mit anderen Expertinnen und Experten vernetzen. Und wir vernetzen natürlich auch die Teams untereinander.
ABER STEHEN DIE TEAMS NICHT IN DIREKTER KONKURRENZ ZUEINANDER?
JC: Der eigentliche Wettbewerb findet außerhalb der Challenge statt, auf den bestehenden Märkten, die es zu disruptieren gilt. Bei unseren Teams steht daher nicht so sehr der Gedanke Ich will unbedingt die Challenge gewinnen
im Mittelpunkt. Vielleicht auch, weil es am Ende der Challenge kein Preisgeld gibt, um das alle konkurrieren. Stattdessen sind die Innovator:innen getrieben vom Ziel, das übergeordnete Problem zu lösen. Wenn die Teams glauben, dass sie das Challenge-Ziel erreichen können und dass es ein disruptives Potential hat, dann brennen sie einfach für das, was sie tun.
DIE CHALLENGES LAUFEN IN DER REGEL ÜBER MEHRERE JAHRE. JEDES JAHR WIRD NEU BEWERTET, OB DIE TEAMS IN DIE NÄCHSTE RUNDE KOMMEN. GIBT ES KLARE ZIELE, DIE ERREICHT WERDEN MÜSSEN, UM WEITERZUKOMMEN?
JC: Die Grundidee ist, dass wir etwas demonstriert sehen wollen. Wir wollen nicht irgendwie die zweite Iteration eines Konzepts sehen, sondern wir wollen Daten sehen, die uns sagen, ob das, was man sich vorgenommen hat, funktionieren kann oder nicht. Dabei schauen wir uns natürlich an, was die typische Fortschrittsgeschwindigkeit im jeweiligen Bereich ist. Manche Experimente benötigen einfach viel Zeit oder es müssen aufwendige Prototypen gebaut werden. Und manchmal ist es auch nicht so leicht, den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen, das ist der Punkt, der erreicht werden muss, um weiterzukommen. Je mehr wir auf quantifizierbare Kennzahlen setzen, desto besser können wir die Teams vergleichen und desto mehr Wettbewerb haben wir. Das ist auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite laufen wir Gefahr, wichtige Lösungsansätze, die nicht zu diesen Kennzahlen passen, auszuschließen. Deshalb kommunizieren wir den Teams vor allem verbal, worum es uns geht, wo aus unserer Sicht die Herausforderungen liegen und was das Ziel der Challenge ist. Dazu gehören manchmal auch Kennzahlen, die aber in erster Linie der Orientierung dienen, wir sagen also nicht: Wenn ihr in den nächsten drei Monaten nicht Level soundso erreicht habt, seid ihr automatisch raus.
ABER AUCH POTENTIELL ERFOLGVERSPRECHENDE TEAMS SCHAFFEN ES NICHT ZWANGSLÄUFIG IN DIE NÄCHSTE CHALLENGE-STUFE.
JC: Es ist immer eine schwere Entscheidung, wenn man Teams verabschieden muss, die hart an der Lösung eines Problems gearbeitet haben. Je nachdem, um was für ein Team es sich handelt, wo es gerade steht und was es in seinem Bereich braucht, versuchen wir deshalb auch, andere Investoren zu finden, die es weiter unterstützen. Aber auch wenn es nicht einfach ist, den Teams diese Entscheidungen zu vermitteln, glaube ich, dass Wettbewerb und Konkurrenz sehr wertvoll sind, weil es die Teams dazu bringt, Fortschritte zu machen, die sie sonst nie gemacht hätten. Es gibt Teams, die uns nach dem Ausscheiden sagen: Das, was wir in der SPRIND Challenge in einem Jahr erreicht haben, hätten wir normalerweise in drei Jahren nicht geschafft. Und ich glaube, dann haben sich dieses Jahr das investierte Geld und die investierte Zeit wirklich gelohnt, auch wenn es danach – zumindest im Moment mit uns – nicht weitergeht.
DASS TEAMS SCHEITERN, LÄSST SICH VERMUTLICH GAR NICHT VERHINDERN, ODER?
JC: So sehen wir das nicht. Denn im Grunde genommen sind alle Teilnehmenden Gewinner. Denn innerhalb der Challenge findet ein großer Lernprozess statt, wenn die Teams ihre Lösungen weiterentwickeln und wenn die Teams sich selbst weiterentwickeln. Technologieoffenheit bedeutet für uns, dass wir und die Teams natürlich im Laufe einer Challenge auch lernen, dass ein bestimmter Ansatz nicht das Potential hat, das wir erwartet oder erhofft haben. Aber auch, dass vielleicht ein Team nicht das Potential hat, das wir uns erhofft haben. Auf der anderen Seite lernen wir, dass bestimmte Ansätze vielleicht ein viel größeres Potential haben, als wir dachten, oder dass ein Team sich auf eine Weise entwickelt, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Und diese Offenheit für Entwicklungen, positive wie negative, ist total wichtig.
WIE UNTERSCHEIDEN SICH DIE SPRIND-FUNKEN VON DEN SPRIND CHALLENGES?
JC: Der Hauptunterschied ist, dass die SPRIND-Funken nicht zwei oder drei Jahre laufen, sondern nur ein halbes oder drei viertel Jahr. In dieser Zeit kann man, zumindest in Hardware, nicht viel grundlegendes Neues entwickeln. Deshalb konzentrieren wir uns bei den Funken darauf, den Teams zu ermöglichen, die Grenzen des Machbaren einer Technologie aufzuzeigen. Unser Hauptaugenmerk liegt also darauf, schnelle Demonstrationen zu liefern. Das funktioniert besonders gut im Bereich der Softwareentwicklung. Aber nicht nur dort: Zum Beispiel gibt es bereits Ansätze für 3D-gedruckte Organe. Mit unserem Funken Tissue Engineering wollen wir die Weiterentwicklung beschleunigen. Denn wenn andere sehen, was schon möglich ist, sind sie eher bereit zu investieren. Mit den Funken geben wir Entwicklungen den letzten Schubs zum Durchbruch oder ermöglichen neue Investitionen.
WIE UNTERSCHEIDEN SICH DIE CHALLENGES UND FUNKEN VON ANDEREN FÖRDERUNGEN AUS ÖFFENTLICHER HAND?
JC: Wir und im Prinzip auch andere öffentliche Einrichtungen wollen, dass Start-ups gegründet werden, die die Welt erobern. Aber die Teams, die sich auch um andere öffentliche Finanzierungen bewerben, erzählen mir oft, dass sie teilweise eineinhalb oder sogar zwei Jahre warten, bis sie Geld bekommen. Mit den SPRIND Challenges und Funken haben wir gezeigt, dass wir Gründer:innen nicht bremsen, sondern sie als Partner schnell und umfassend unterstützen. Deshalb legen wir großen Wert auf kurze Fristen und wenig Bürokratie. Mit unserem Finanzierungsinstrument sorgen wir für Transparenz und Planbarkeit. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir unsere Finanzierungen nicht auf Deutschland beschränken, sondern europaweit vergeben. Denn die Herausforderungen, die wir mit den Challenges angehen wollen, sind so groß und wichtig, dass wir es uns nicht leisten können, nicht über den eigenen Tellerrand zu blicken.
WAS BEGEISTERT DICH PERSÖNLICH AN DEN CHALLENGES UND FUNKEN AM MEISTEN?
JC: Zu sehen, was alles geht, motiviert enorm. Wir arbeiten unter anderem daran, die Chemieindustrie zu dekarbonisieren und gleichzeitig CO₂ aus der Atmosphäre zu entfernen. Das klingt ein bisschen zu gut, um wahr zu sein, aber vielleicht ist es wirklich möglich. Die Teams machen mir einfach Mut, dass wir die Herausforderung unserer Zeit wirklich lösen können.
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